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Köln. Eine [gelungene] Geschichte. Buchempfehlung.

„Köln. Eine Geschichte. Vom Urwald zur Millionenstadt“: Das Buch aus dem Greven Verlag entdeckte ich in der Stadtbibliothek Köln. Obwohl das Buch einladend und modern gestaltet ist, wollte ich es schon wieder weglegen, hatte ich doch einiges über meine Heimatstadt gelesen. Da ich leider auch etliches wieder vergessen habe, dachte ich dann aber, etwas Geschichts-Auffrischung könne nicht schaden. Zudem reizte mich der Werbespruch aus der Rückseiten-Beschreibung „Das neue Standardwerk zur Kölner Geschichte und eine einzigartige Hommage an diese viel geliebte Stadt“.

„Neues Standardwerk“ zu Köln? Ob das stimmt? Mein Wille zum Widerspruch zum Werbespruch war geweckt.


Also begann ich zu lesen. Der Einstieg in über 2000 Jahre turbulente Stadtgeschichte beginnt bei Barbara und Christoph Driessen davor, weit vor der Stadtgründung Kölns durch Ubier und Römer. Die zwei Autoren führen uns zu Anfang tief in den Wald und präsentieren die ältesten noch lebenden KölnerInnen. Die stehen im heute Autobahn umtosten Gremberger Wäldchen und haben stolze 250 Jahre in der Krone. Es sind mächtige Buchen. Dass in Gremberg die ältesten lebenden höheren Organismen Kölns stehen, wusste ich noch nicht. Und schon folgt das nächste für mich Unbekannte: Die Ur-Ur-Ahnen dieser Buchen waren vor der Jungsteinzeit (der Zeit der Sesshaftwerdung der Bauern und Viehzüchtern) zwar bereits heimisch, die vorherrschenden Bäume waren aber Ulmen, Eichen und Haselbüsche. Erst durch die Rodungen der jungsteinzeitlichen Bauern und das spätere Wieder-Verlassen weiter Areale begann der große Siegeszug der Buche. Während Proto- und Frühindustrialisierung wurde der Wald dann abermals arg dezimiert, um sich schließlich durch menschliche Anpflanzung erneut auszubreiten. Das gefiel mir alles schon mal sehr. Denn andere Autoren schreiben gern Buchenwald sei der Naturzustand. Barbara und Christoph Driessen gehen da differenzierter ran.

Spannend und lehrreich geht es weiter durch die Kölschen Jahrhunderte.


Wir erfahren, dass die Römer mehr Wert auf die Qualität des essentiellsten aller Lebensmittels - des Wassers – legten, als wir es heute tun. Deshalb wurde zur Versorgung der Colonia Claudia Ara Aggripinensium die Römerwasserleitung aus der Eifel bis nach Köln gebaut, immerhin eines der längsten Aquädukte des Römischen Reiches. Kurz wird Postumus gestreift, der Gründer des Gallischen Sonderreiches, das für ein paar Jahre immerhin ein Drittel des Römischen Reiches umfasste. Und Hauptstadt dieses Reiches war: …? Die Antwort wird zahlreiche Kölnerinnen und Kölner entzücken.

In dieser Rezension kann ich nur wenige Schlaglichter setzen. Deshalb überspringe ich einfach Völkerwanderung und Mittealter. Da war Köln die größte deutsche Stadt, wichtiges Mitglied der Hanse, und wie die Autoren schreiben „Weltstadt“ mit eigenem, vom englischen König garantiertem, Handelskontor in London. Klar, Themse- und Rheinmündung liegen sich fast gegenüber. Deutz war feindliches Ausland.

In der Neuzeit treiben gewaltige Flöße den Rhein stromab. Die sogenannten Holländerflöße, die Baumstämme aus den deutschen Mittelgebirgen gen Holland transportierten. Auf diesen Stämmen stelzen etliche der Grachtenhäuser Amsterdams. Viel Holz kam einiges weiter rum als Mast oder Rumpf von Schiffen der niederländischen Handels- und Kriegsflotten.

Wussten Sie, dass die Spanier den Rhein umleiten wollten?


Wir sind ziemlich am Beginn der Neuzeit. 80 Jahre dauerte der Unabhängigkeitskampf der Niederlande. Doch die spanischen Herrscher wollten ihren äußerst wertvollen Besitz, dieses dicht besiedelte, reiche Handelszentrum nicht ziehen lassen: 1626 machten sich die spanischen Kolonial-Herren daran, den Rhein teilweise zu sperren und umzuleiten: weg vom aufständischen Holland in die (südlichen) Spanischen Niederlande (in etwa das heutige Belgien). Hochspannend: die Arbeiten an dem Kanal der Rhein und Maas verbinden sollte, schritten schnell voran. Allerdings verhinderten die militärischen Erfolge der Generalstaaten (der nördlichen Niederlande), den Abschluss des Mammutprojektes.

Der Name des nicht vollendeten Kanals ist Fossa Eugeniana, benannt nach der spanischen Infantin Eugenia. Von all dem wusste ich nichts, erneuter Pluspunkt für das Buch von Barbara und Christoph Driessen.


Porträt, spanische Statthalterin, Porträt, Niederlande, Fossa Eugeniana, Rhein
Motzt sie, weil sie keine Kölnerin ist? Die Statthalterin der spanischen Niederlande Isabella Clara Eugenia, Porträt von Sofonisba Anguissola, Bildquelle: Wikipedia

Obwohl der Kanal unvollendet bleibt, verlagerte sich der Handel trotzdem zuungunsten Kölns. Die neuen Routen nach Übersee, nach Amerika, nach Asien boomten. Das kriegerische Geschehen um die Fossa Eugenia hatte die Suche nach Ausweichrouten auch in Mitteleuropa zusätzlich beschleunigt. Schlecht für Köln.

Die einst blühende Handelsstadt verliert an wirtschaftlicher Bedeutung. Auch weil Köln die Protestanten vertreibt. Das geht soweit, dass die Neustadt des Konkurrenten Mülheim [des 1914 eingemeindeten, rechtsrheinischen Kölner Stadteils], das damals dem Herzog von Berg untertan war und in dem sich wohlhabende Protestanten angesiedelt hatten, 1614 und abermals 1615 zerstört wird. Abgerissen von verbündeten, spanischen Truppen und Kölner Handwerkern.

In der späteren Neuzeit passiert natürlich auch noch so einiges. War Ihnen zum Beispiel bekannt, dass im Jahr 1893 in New York City 7000 Stollwerck-Automaten standen? Die Schokolade für die Automaten wurde aus Köln regelmäßig über den Atlantik versandt. Ludwig Stollwerck holte die Gebrüder Lumière nach Köln. Die bespielten zuerst die Stollwerck-Kantine und vier Tage später am 20. April 1896 fand in Köln die erste öffentliche Filmvorführung Deutschlands statt. Und bereits einen Monat später, im Mai 1896, waren die erste Filme zu bestaunen, die in Köln gedreht wurden.

Wie gesagt, nur ein paar Schlaglichter. Mein Resümee: Ein spannendes, sehr gut geschriebenes und lehrreiches Buch über Köln und seine Geschichte, das den Fokus öfter anders setzt und ausgetretene Wissenspfade verlässt. Fesselnd und lesenswert.

Das Buch "Köln. Eine Geschichte. Vom Urwald zur Millionenstadt" von Barbara und Christoph Driessen auf der Seite des Greven-Verlages.

Köln, Innenstadt, Barbarossaplatz um das Jahr 1900, Blick über den Hohenstaufenring, Photochrom Print
Der Barbarossaplatz um 1900, Blick über den Hohenstaufenring. Einer der Kölner Plätze, welche die moderne Verkehrs- und Stadtplanung zerstört hat. Bildquelle: Wikipedia, Photochrom Print




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